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Von einem begeisterten Besucher des Märchenkonzertes für Erwachsene

 

Alle haben wir sie noch im Kopf, die bunten Bilder aus dem Märchenbuch unserer Kindheit. Manchmal in tiefen Winkeln der Erinnerung versteckt und verpackt, manchmal ganz nah und präsent wie Frau Holle, die uns beim Aufschütteln der Kopfkissen in den den Sinn kommt. So wirkmächtig sind Bilder und Sprache der Gebrüder Grimm, und diese Kraft machen sich die KünstlerInnen von BIBUMU zunutze. Und sie verstärken, ja potenzieren sie durch die Zauberkraft von Bildern, Stimme und Musik: Bilder der großartigen Zeichnerin Rotraut Susanne Berner, Musik von Claude Debussy, Bela Bartok und Kurt Weill, aber auch Bearbeitungen alter keltischer und mazedochischer Volksweisen und eine wahrlich märchenhafte Vorlesestimme.

BIBUMU, das sind die Musikerinnen Rita Zimmermann(Akkordeon, Klavier) und Miriam Frank ( Blasinstrumente) und der Sprecher Eckhard Leue.


Alle drei haben bei den Proben für die Kindervorstellungen schnell gemerkt, dass diese Märchen viel mehr sind als bloße Kinderunterhaltung. Sie enthalten uralte Mythen, Bilder und Archetypen, beschreiben Aufstieg und Fall von Königreichen, Familiengeschichten mit und ohne Patchwork, Angst, Ohnmacht und Verzweiflung, aber auch Freude und Belohnung, Hochmut und Demut, Grausamkeit und Herzensgüte. Vor allem aber geht es immer wieder um Gerechtigkeit und Strafe für Bosheit, um Gnade, Belohnung und Vergebung.Verstörend, wenn der Hörer und Betrachter spürt, wie er sich über manch grausame Strafe freut: die böse Stiefmutter hat es ja nicht besser verdient.

All das war Grund genug, einen „Märchenabend für Erwachsene“ zu schaffen.


Die einzelnen Märchen wirken für sich, aber dazwischen ist Raum für Nach-Denken, vielleicht gar Psycho-Analysen.

Die drei KünstlerInnen disputieren über Frau Holle: Ist das ein Erziehungsdrama oder leidet etwa die Goldmarie am Stockholm-Syndrom? Ein Öko-Märchen oder feministische Matriarchatsverklärung? Geht es um Wege zur Autonomie oder den autoritären Charakter? Und ist Frau Holle eine bessere Sozialarbeiterin oder eine Erdgöttin mit zu großen Zähnen?

Fragen über Fragen. Und alles steckt in dieser alten Geschichte der Gebrüder Grimm. Ob man möchte, dass sich die Pechmarie irgendwann doch wieder reinwaschen kann, muss jeder für sich beantworten; in den Comics von Rotraut Susanne Berner findet sich vielleicht ein ganz kleiner Hinweis: Das Badewasser ist schmutzig.


Und dann geht’s weiter zum nächsten Märchen, einem eher unbekannten: Hans, mein Igel. Hans ist ein Wunschkind seiner Eltern, das aber nicht so ausfällt wie gewünscht: Obenrum ist Hans nämlich ein Igel. Und er hat einen langen Weg zurückzulegen, bis er – natürlich im Bett der schönen Prinzessin- seine Igelhaut endlich abstreifen und ins Feuer werfen kann.Hier sind die Zuschauer selber gefordert; die Deutungen sind vielfältig und überraschend. Und dann finden sich gar kundige Gäste, gestandene PsychoanalytikerInnen, die dem Publikum auf die Sprünge helfen.


Man kann deuten, muss es aber nicht. Mancher lässt einfach die Poesie der Bilder und der Musik so auf sich wirken.

Zum guten Ende - Märchen haben immer ein gutes Ende, nur nicht für alle – folgt eine letzte Geschichte, der Daumesdick, der mit seinem unerschütterlichen Optimismus alle fröhlich und beschwingt nach Hause gehen lässt:Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.

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